Schulkonflikte Themenpapier 1 – Beschmieren der Schultoilette Kurzfassung

Schulkonflikte

Themenpapier 1 – Beschmieren der Schultoilette

Kurzfassung

 

Ausgangssituation/Konfliktsituation:

Die Wände der Schülertoilette einer Schule sind mit Kot beschmiert. Es kann nicht herausgefunden werden, wer dies getan hat.

 

Bisherige Lösung:

Von der Schulleitung ergriffene Maßnahmen:

  • wenn ein Schüler[1] die Toilette benutzen möchte, muss er sich in eine Liste eintragen mit Uhrzeit und Namen.
  • Er muß von einem anderen Schüler begleitet werden, der ebenfalls seinen Namen in die Liste eintragen muss. Dieser Schüler ist verpflichtet, den anderen Schüler zu überwachen und unerwünschte Handlungen der Schulleitung bzw. dem Fachlehrer zu melden.

 

Einschätzung:

Die Schulleitung begreift das Beschmieren der Toilette ausschließlich als destruktive Tat, die verhindert werden muss. Sie fragt nicht danach, ob diese Tat vielleicht auf ein dahinter liegendes Problem hinweist. Daraus folgt dann ein einseitiger Lösungsansatz: autoritäre, sanktionierende, kontrollierende Maßnahmen.

 

Auswirkungen:

Vorweg: Das Beschmieren von Toilettenwänden mit Kot erscheint auch für uns (ONL) als keine konstruktive Lösung und nicht hinnehmbar. Es ruft dazu auf, sich mit der (dahinter liegenden) Problematik zu befassen und nach Lösungen dafür zu suchen. Es ist anerkennenswert, dass die Schulleitung die Vorfälle ernst nimmt, Verantwortung übernimmt und handelnd nach Lösungen sucht. So sollen offensichtlich die Bedingungen für erfolgreiches Lernen an der Schule wiederhergestellt werden.

Die Lösung enthält aber folgende Problematiken:

  • Die getroffenen Maßnahmen schaffen einen Rahmen, in dem es um Täter, Sanktionierung, Überwachung und Kontrolle geht, und enthalten eine Grundannahme von Misstrauen bezogen auf alle Schüler.
  • Von der Schulleitung werden autoritäre disziplinarische Maßnahmen verpflichtend Die Bewegungsfreiheit der Schüler wird massiv eingeschränkt.
  • Schüler werden zu Kontrollhandlungen und Denunziation verpflichtet, damit zu „Polizisten“ / „Spionen“ gemacht. Wer diese Aufgabe nicht übernimmt, läuft selbst Gefahr, dafür sanktioniert zu werden. Schüler werden einem Zwangssystem unterworfen.
  • Schüler in einen unlösbaren Loyalitätskonflikt gezwungen: eigentlich sollten sie primär ihren Mitschülern loyal sein, nicht den Lehrern. Die Generationengrenze wird aufgehoben.
  • Eine Atmosphäre von gegenseitigem Misstrauen wird erzeugt.
  • Die für erfolgreiches Lernen notwendige Atmosphäre von Vertrauen, Kooperation und Offenheit wird massiv gestört.
  • Auch Lehrer werden zu Kontrolleuren, Überwachern, Sanktionierern – also zu einer potentiellen Bedrohung für die Schüler. Dadurch wird die Lehrer-Schüler-Beziehung im Kern gestört.
  • Dass die Tat einen Bezug auf die Schule haben kann, also eine Reaktion auf vorhergehende Vorgänge in der Schule darstellen könnte, wird nicht in Betracht gezogen.
  • Zusammengefasst:
  • Die Lernbedingungen verschlechtern sich.
  • Gutes Lernen setzt Sicherheit und Vertrauen in die Lernsituation und die dort bestehenden Beziehungen voraus.
  • Die zugrunde liegenden Konflikte können nicht adäquat gelöst werden.
  • Schule stellt kein gutes Modell für ihre Aufgabe zur Demokratiebildung dar.
  • Das aggressive Agieren wird nicht wirklich verhindert sondern nur verschoben.

Neue Perspektive und Lösungsvorschläge:

  • Es sollte eine nüchterne Situationsanalyse vorausgehen vor einer Handlungskonsequenz.
  • Wir schlagen vor, diese Tat selbst als einen (eher hilflosen) Lösungsversuch anzusehen.
  • Die Schule sollte ein echtes Interesse an den Motiven des Schülers zeigen.
  • Der Schüler sollte unter Zusicherung von Anonymität und Straffreiheit zur einem Dialog auf Augenhöhe, mit Wertschätzung und gegenseitigem Respekt eingeladen werden.
  • Beteiligung inner- oder außerschulischer Vertrauenspersonen sollte angeboten werden.
  • Auf kooperativer und vertrauensvoller Basis sollte nach einer guten Lösung der tatsächlich zugrundeliegenden Konflikte gesucht werden.

 

Auswirkungen:

Hierdurch besteht die Chance, dass hinter der Tat liegende Probleme erkannt und verstanden werden können. Dem Schüler kann so ein Weg aus Hilflosigkeit und Defensivhaltung hin zu einem gegenseitig wertschätzenden Dialog eröffnet werden, in dem kooperativ konstruktive Lösungen dafür gefunden werden können. Es würde eine vertrauensvolle, kooperative, wertschätzende Atmosphäre an der Schule ermöglichen. Das hätte positive Auswirkungen auf erfolgreiches Lernen aller Schüler.[i]

V.i.S.d.P.  Harald Lochmüller   Delmenhorster Str. 14a   15738 Zeuthen

[1] Zur besseren Lesbarkeit wird jeweils nur die männliche Form gewählt, gemeint sind beide Geschlechter

Zur Vertiefung finden sie eine Langfassung auf unserer Homepage[i] www.offenes-netzwerk-lernen.de