MAZ-Artikel über „Helikoptereltern“

Die Märkische Allgemeine Zeitung hat am 2.6.2018 in ihrer Online-Ausgabe einen Artikel zum Thema „Helikoptereltern“ veröffentlicht; zu finden unter dem Link

http://www.maz-online.de/Brandenburg/Helikopter-Eltern-sorgen-in-Brandenburg-fuer-Probleme

Dieser Artikel war so irreführend und fehlerhaft, daß wir einen Leserbrief dazu an die MAZ-Redaktion geschickt haben. Hier finden Sie dessen Text:

 

Leserbrief zum Artikel

Übervorsichtige Eltern sorgen für Probleme

Vom 2.6.2018 in der Online-Ausgabe der MAZ

In diesem Artikel wird leider ein wenig hilfreiches, klischeehaftes und sehr undifferenziertes Bild vom Verhalten mancher Eltern gezeichnet. Parkplatz-Probleme werden mit elterlichem Verhalten in der Schule einfach in einen Topf geworfen.

Es findet eine pauschale und undifferenzierte Entwertung der mit einem Kampfbegriff belegten sogenannten „Helikoptereltern“ statt, ohne daß die notwendige und sinnvolle Umterscheidung zwischer Fürsorge, welche ein Kind abhängiger macht, und einer Fürsorge, welche ein Kind stärkt, auch nur versucht wird. Alles wird blind über einen Kamm geschert. Es ist ein Denkfehler, daß es ein Kind nicht stärken könne, wenn seine Eltern es in den Klassenraum bringen. Der Kontextbezug, ohne den eine Bewertung gar nicht sinnvoll möglich ist, fehlt völlig. Es zeigt sich hier das leider weit verbreitete Muster, daß Verhaltensweisen nicht differenziert und in Bezug auf ihre Bedeutung im jeweiligen Beziehungskontext betrachtet werden. Ein und dasselbe Verhalten kann in verschiedenen Beziehungskontexten nämlich sehr unterschiedliches bedeuten – bis hin zu gegensätzlicher Bedeutung. Wenn das nicht reflektiert wird, ist jede Bewertung allein dadurch obsolet, willkürlich und potentiell schädlich! Sie erreicht das Gegenteil von dem, was sie erreichen soll: nämlich dem Kindswohl zu dienen! Wird die Lösung eines Problems nicht auf der richtigen Ebene gesucht, dann besteht große Gefahr, daß die „Lösung“ nicht trägt. Manche Phänomene in unseren Schulen sollten auf diesen Hintergrund überprüft werden.

Im vorliegenden Artikel wird sorgfältige Analyse durch eine oberflächliche Bewertung ersetzt, die gerade die Beziehungsebene nicht erfassen und abbilden kann – und somit aus systemischer Sicht ( und Schule ist ein komplexes System !) verkürzt an der Sache vorbeigeht. Dies verweist leider auf die bislang weitgehend in diesem Bereich mangelnde Fähigkeit zur Reflektion der Beziehungsebene. Für die Beziehung Lehrer-Schüler ist spätestens seit der Hattie-Studie erwiesen, daß dies die wichtigste Variable für gutes Lernen in der Schule ist. Die Beziehung zwischen Eltern und Lehrer/Schulleitung ist ebenso entscheidend. Die in diesem Artikel nahegelegte extrem autoritäre Denk- und Vorgehensweise widerspricht zudem eklatant dem Geist von Partnerschaftlichkeit und Kooperation, wie sie auch im Rahmenlehrplan Berlin-Brandenburg niedergelegt ist. Ein Schild, wie es im Artikel abgebildet wird, ist in keiner Weise geeignet, diese Problematik zu berücksichtigen. Im Gegenteil stigmatisiert es schlicht Eltern, was keinesfalls dem Kindswohl dienen kann. Zudem liegt dem ein gefährlich falsches Bild von der Selbständigkeits-Entwicklung von Kindern zugrunde. Diese wird nicht durch abrupte Beziehungsabbrüche gefördert, wie das Schild es fordert. Da auch Kinder selbstorganisierte Wesen sind, kann niemals von aussen ohne Anschauung des Kindes und dessen Familien- und Kontextbedingungen sinnvoll bewertet werden, wie der nächste Entwicklungsschritt Richtung Selbständigkeit aussehen kann und zu welchem Zeitpunkt er erfolgen sollte. Daß es auch Eltern gibt, die dies nicht ausreichend einschätzen, ist gut möglich. Hier hätte die Schule eine Chance durch persönliche Gespräche mit den Eltern auf der Basis von Beziehungskompetenz der Lehrer/Schulleitung zum Wohle des Schülers einzuwirken. Eine solche Beziehungskompetenz wird leider bislang in der Lehrerausbildung nicht vermittelt. Sie ist aber unverzichtbare Voraussetzung für eine konstruktive Lösung der im Artikel beschriebenen Konflikte. Für dies gibt es aber mittlerweile Hilfen und Fortbildungen auch für Lehrer. Darüber sollte diese Zeitung unbedingt auch berichten. Dies würde mit Sicherheit dem Kindswohl zugute kommen.

 

Harald Lochmüller